02.03.2021 von Tilman Held

Porsche Ice Experience

Und auf einmal war er da, der Winter, in dem Skifahren in den Alpen, Hütten-Gaudi und Aprés-Ski einfach nicht ging. Also auf zu neuen Ufern - mal etwas anderes ausprobieren. Idealerweise dort, wo man sich sicher sein kann, dass Winter noch Winter ist. Zum Beispiel in Schwedisch Lappland. Mit der Porsche Ice Driving Experience. Wir waren da.

Wir haben genau mitgezählt: 5 Stunden und 34 Minuten. Vom Verlassen der Haustür bis zum ersten satten Klick, bei dem sich die Autotür unseres GT3 auf einem zugefrorenen See in Lappland schließt. Die sechs Fahrzeuge, die unserer Gruppe zugeteilt sind, stehen hier wie im Werbeprospekt. Blauer, arktischer Himmel, -4 Grad, blitzblank poliert, voll getankt und mit be-spikten Pneus versehen. Bei jedem, für den Autofahren keine Zumutung ist, steigt da unweigerlich der Puls. Was Sie in vier Tagen Winter-Abenteuer genau erwartet, wer hier feuchte Hände bekommt und für wen das vielleicht auch nichts ist - lesen Sie hier.

Anreise zur Porsche Ice Experience

Knapp drei Flugstunden sind es von Deutschland aus nach Arvidsjaur, dem Zentrum für Wintertests vieler europäischer Automarken. Das kleine Städtchen in der Nähe des Polarkreises zählt gerade mal 4000 Seelen, verfügt aber über einen internationalen Flughafen. Schon vor vielen Jahren begannen die großen deutschen Autohersteller für den Transport ihrer Mitarbeiter ins Winter-Testquartier größere Maschinen zu chartern. Diese, auf die Wintermonate beschränkten Flüge ab München, Stuttgart, Hannover und Frankfurt (Hahn) nutzen auch wir um Gästen, die an einer Ice Driving Experience interessiert sind, einen Direktflug nach Lappland anbieten zu können, der das lästige Umsteigen in Stockholm vermeiden lässt.

Am Flughafen angekommen, geht dann alles ganz schnell: Um das Gepäck, das mit einem eigenen Anhänger gekennzeichnet wird, kümmern sich Mitarbeiter unseres Partners vor Ort, während wir bereits im Mercedes Viano auf dem Weg zum See sind. Die Gruppen sind klein hier. Sechs Fahrzeuge sind es, die wir uns zu zehnt in den nächsten Tagen teilen. Ein 718 Cayman, zwei Carrera GT4, ein GT3, ein 992er und ein 964er aus den 90er Jahren sind die eindrucksvolle Startausstattung. Sie möchten ein Auto getauscht haben? Kein Problem – bereits zur nächsten Kaffeepause bemüht man sich das Wunschmodell für die Gruppe bereit zu stellen.
Unser Guide Klaus, der in den neunziger Jahren einen gewissen Jacques Villeneuve beim Formel 3 Rennen in Monaco geschlagen hat, gibt uns eine kurze Einweisung. Ob zu diesem Zeitpunkt jemand wirklich zuhört, ich weiß es nicht... alle sind viel zu elektrisiert vom selbst-generierten Kopfkino, das sich zum Teil schon seit Wochen und Monaten aufgebaut hat, wenn man den Worten der anderen Gruppenmitglieder beim abschließenden gemeinsamen Abendessen Glauben schenken darf. Eines wird schnell klar: Hier trifft man auf Gleichgesinnte. Vom Porsche-Nerd über den begeisterten Alltags-Fahrer, die Vater/Sohn-Kombination auf der Suche nach Quality-Time bis hin zu denjenigen, die in Ermangelung anderer alpiner Freizeitoptionen einfach mal was Neues ausprobieren wollten.
Der Ankunftstag, mit seinen verbleibenden gut 3 Stunden wird in drei 45 Minuten Sessions eingeteilt (immer unterbrochen von circa 15-minütigen Kaffeepausen, für die man immer wieder in die am Seeufer gelegene Lodge zurückkehrt). Die ersten beiden Einheiten sind dabei recht technischer Natur, um sich an die Basics beim Fahren auf Eis und Schnee zu gewöhnen. Die Letzte ist zwar eigentlich auch noch eine Übung im Parcours, aber hat schon ein wenig Renn-Charakter. Während die Sonne sich Mühe gibt ihren fotoband-reifen Untergang hinter arktischer Kulisse zu inszenieren, drehen wir die letzten Runden, die sich am Ende dieses ersten Tages schon sehr viel sicherer und souveräner anfühlen.

Danach geht es zum ersten Mal ins Hotel. Die Zimmer sind bezugsbereit, die Koffer stehen zur Abholung in der Lobby bereit und es bleibt ein wenig Zeit sich einzurichten um dann wenig später mit der gesamten Gruppe zum gemeinsamen Abendessen zusammen zu kommen. Wenn man nicht als Gruppe gekommen ist, dann findet man hier leicht Anschluss. Wie gesagt, es sind Gleichgesinnte, mit denen man hier unterwegs ist.
Rein aus Interesse zähle ich im Raum die Anzahl der mitgereisten Damen. Es sind circa 10 % der Gesamtgruppe. Bevor mir hier etwas Böses unterstellt wird: Ich schreibe dies bewusst wertfrei und bitte dies nur als reine Feststellung für die weiblichen Leser unseres Blogs zu verstehen, die sich vielleicht fragen, wie wohl das Verhältnis zwischen Damen und Herren auf einer solchen Reise ist.

 

awayfromitall Driving Experiences (3)

Eine echte Alternative zum Winter-Kurzurlaub: Driving on Ice

Die Tage in Arvidsjaur beginnen stets um neun nach dem Frühstück mit dem Transport zu den Eis-Tracks. Eine gute Viertelstunde dauert es jeweils, bis wir wieder im Porsche sitzen.
Klaus führt uns auf einen neuen Parcours, bei dem wir das, was wir gestern verinnerlicht haben ins Gedächtnis zurück rufen sollen. Es scheint wirklich so, als ob über Nacht unser Gehirn im Unterbewusstsein weiter gearbeitet hat, denn Vieles von dem, was gestern irgendwie nur theoretisch verstanden wurde, ist heute praktisch machbar.
Die zweite Übung führt uns in zwei kreisrunde Wegstrecken, bei denen wir das Driften mit ausgebrochenem aber stets kontrolliertem Heck weiter perfektionieren. Gar nicht so einfach, und es häufen sich die Abflüge der Porsche-Boliden in die den Track umgebenden Schneewände. Erwischen tut es in den drei Tagen hier oben nahezu jeden. Mindestens einmal, meistens mehrmals. Der Schnee absorbiert dabei die komplette Bewegungsenergie der Wägen und mit Hilfe des Begleitfahrzeuges sind die Porsche-Modelle nach schon wenigen Minuten wieder einsatzbereit, ohne einen Kratzer.
Der Guide vergibt bei jedem Ausflug ins satte Weiss die gefürchteten Elch-Punkte, die schließlich in die Fahrer-Gesamtwertung mit eingehen werden. Doch dazu nachher mehr.
Nach dem hervorragenden Mittagessen in der Lodge erwartet uns dann der erste echte, einer Formel 1 Strecke nachempfundene Race-Track. Spätestens jetzt ist der Ehrgeiz aller Teilnehmer geweckt. Es gilt möglichst schnell im Drift die vielen Kurven zu durchfahren und ob man es glaubt oder nicht - auch das Geradeausfahren auf Eis kann zur Herausforderung werden.
Noch zwei weitere Rennstrecken und Herausforderungen erwarten uns, bevor es nach Sonnenuntergang dann zum Show-Down kommt. Mit ausgelosten Fahrzeugen geht es in den ausgeleuchteten Renn-Parcours, den jeder der Teilnehmer durchfahren kann. Ganz bewusst kann, nicht muss. Aber jeder macht mit. Das Race-Fieber hat einfach jeden erwischt.
Jeweils zwei Personen teilen sich einen Wagen. Die vermeintlich schwächer motorisierten Porsches bekommen am Ende eine Zeit-Gutschrift. Zusammen mit den bereits erwähnten Elchpunkten ergibt sich bis zum Abschluss der 4 Tage dann eine Gesamtwertung, bei der am letzten Abend bei einem gemeinsamen Gala-Abendessen die Sieger geehrt werden. Als die Fahrzeiten der Spitzenfahrer vorgelesen werden bin ich schon ein bisschen geschockt, denn natürlich habe auch ich von mir gedacht, dass unmöglich jemand schneller gefahren sein kann als ich. Doch Ernüchterung macht sich breit: der Sieger hat mir auf der knapp 4 km langen Strecke mehr als 12 Sekunden abgenommen. Mit der in mir schwelenden Frage, wie man auf dieser Strecke noch zwölf weitere Sekunden herausfahren kann, gehe ich ins Bett.

Fazit und Preis zur Porsche Ice Experience

Die Fahrzeuge sind top, die Organisation ist absolute Spitze, die Guides (in jedem Fall unserer) echte Marken und absolute Profis.
Das Essen: wirklich bemerkenswert gut. Die Unterkunft: da muss man sagen, sicherlich das beste Haus am Platz aber vom Standard her nicht das Four Seasons. Aber deswegen fährt man auch nicht hierher...

Wer die Porsche Eis Experience noch mit einer ,skandinavischen Olympiade‘, einem Hundeschlitten-Trekking oder einer Schneemobil-Tour gar Nieren will, nur zu. All diese Möglichkeiten gibt es jederzeit.

Und: nahezu perfekte Runden, für meine Verhältnisse, sind mir nur wenige gelungen. Ehrlich gesagt nötigt einem die Porsche Ice Experience enormen Respekt für die Rennfahrer unserer Zeit ab, die im absoluten Grenzbereich auf den Grand-Prix-Strecken dieser Welt Runde für Runde nahezu perfekte Leistung abliefern und kaum Fehler begehen.

Der Preis: ab 4.590 im Einzelzimmer pro Person (ohne Flug) für diese 4 Tage sind zwar kein Pappenstiel, Aber uns hat die Leistung absolut überzeugt. Der Aufwand, der hinter der Präparation der Strecke, der Organisation und natürlich der Qualität der Fahrzeuge steckt rechtfertigt den Preis aus unserer Sicht definitiv.

Ihr Porsche Ice Experience Experte